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Boykottaufruf
(gegen Vibratoren, Heulbojen und Autoalarme)

Freunde der populären Musik und Sangeskunst kennen das Phänomen: Stimmen die den Einen betören irritieren die Andere.
Die klassische Musik, in ihrer gründlichen Art, hat das Problem einer solch willkürlichen Polarisierung radikal gelöst: Wo die ursrüngliche Akzeptanz eines populären Bel-Cantisten das Volk der Hörer, sagen wir bei einem beliebigen Mittelwert von 50%, spaltete, hat die klassische Sangeskunst die Bevölkerung radikalisiert: nach informierten Schätzungen des Autors dieses Artikels dürfte die Abneigung gegen alle vibrierenden Heldentenöre und Alt-Mietzen bei mindestens 95% liegen.

Das wäre nicht weiter schlimm oder ungewöhnlich, wenn es das "Werk" des einen Komponisten und Sängers betreffen würde, wie in der populären Musik üblich.
In der klassischen Musik aber wird ein ganzes Genre auf diese Weise verunglimpft; nämlich der gesamte Bereich der Vokalmusik seit spätestens Bach. Positive Gegenimpulse der letzten Jahrzehnte kommen, wie so häufig, von den Interpretationen der renaissance- und frühbarocken Musik.

Daß nun bei Wagner, Berlioz und Rossini drauflosgehupt wird was das Zeug hält, muß Hörer mit feinerem Geschmack nicht verzweifeln lassen. Bei Mozart, Verdi, und den meisten anderen Italienern überhaupt, dann aber schon eher.
In der "Modernen Klassik" und "Neuen Musik" ist die Aufrechterhaltung solch grotesker Sangeskünstlichkeit, deren Urheber und Verantwortliche noch nicht ausgemacht wurden, dann vollends unverständlich. Alles hat man im 20.Jh. über Bord geworfen oder es mindestens versucht, - nur die SängerInnen durften weitermachen wie bisher. Sogar bei Ravels "Chansons Madécasses", "Cinq Mélodies POPULAIRES Grecques" etc. - was verwundert, wenn sogar Manuel de Falla zarte Versuche in die Richtung einer Integration nichtklassischer Gesangstechniken in die klassische Musik unternahm. De Fallas Versuche fanden allerdings kaum Nachahmer. Wäre es nicht ein Experiment wert z.B. Ravels "Kaddish" von einer Sängerin mit bulgarischer Gesangstechnik singen zu lassen?

Mit der Stumpfsinnigkeit einer Autoalarmanlage wird stattdessen an den Musikhochschulen weiterhin das klassische Vibrato, und die klassische Gesangstechnik überhaupt, kopiert und tradiert als gelte es DIN-Normen auszubauen und neue Dezibel-Rekorde aufzustellen.
Wahr ist lediglich, daß die Konservatorien, im Fach Gesang jedenfalls, nicht die Reife für die letzten hundert Jahre Musik erlangt haben. Daß z.B. die französischen Komponisten vor über hundert Jahren auf der Pariser Weltaustelllug "den Orient" entdeckten, ist dem WASP (White Anglo Saxon Professor) des Bel-Canto (sic!) wenn nicht unbekannt, dann doch offensichtlich wurscht.

Die ausgefeilten und oft viel virtuoseren Gesangstechniken (unter anderen) des Orients aber im Lehrplan der Musikhochschulen zu unterschlagen ist ungefähr so aufgeklärt und fortschrittlich, als würde man im Erdkundeunterricht die südliche Erdhalbkugel nie erwähnen.

Die wenigen Ausbruchsversuche aus der Starrheit einer solch zweifelhaften Tradition kommen dann auch oft von den Interpreten selbst, wie z.B. Kathy Berberian. Diamanda Galas etc. Und im Lager der (experimentellen) "Populärmusik" und "Jazz" wären einige wie z.B. Nina Hagen zu erwähnen, die es verstehen, die verschiedenen Techniken mühelos miteinander zu verbinden oder nebeneinanderzustellen.

In der klassischen Musik werden uns die Heulbojen mit ihren nahtlos in Triller übergehenden Vibrati wohl noch lange Zeit die Oper vergällen. Und wenn dieser Autor behauptet, daß das in der klassischen Vokalmusik gebrauchte Vibrato allzu oft nur dazu dient, die Unfähigkeit des Sängers zu kaschieren mit den pervertierten Ansprüchen einer auf heldenhafte Lautstärke gedrillten Gesangsideologie fertigzuwerden, dann könnte er ebenso gesagt haben, daß der Kaiser gar keine Kleider trägt - es den Kaiser aber schon lange nicht mehr gibt.

Also, - "so what", oder att?

 

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