© Mankyboddle

 

Betrifft: Rainald Goetz/Westbam: Mix, Cuts & Scratches ISBN 3-88396-136-1 Berlin 1997 & Rainald Goetz: Rave. Erzählung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998, 271 S., 38 Mark. 160 Seiten DM 20,-

Geheimnisse des Blödsinns
Reflex auf ein Medienecho von Frank Mankyboddle

"Ich hasse diesen Jugendfaschismus, besonders von Leuten, deren Arsch langsam schlaff wird."
aus: Das Totale Diskurs-Verschling-Ding von Andreas Schäfer

Einst (und auch heute noch) bedienten sich die Philosophen des Jargons um in den Ohren, wenn nicht unbedingt in den Köpfen, der Rezipienten eindrucksvoll zu tönen. Heute, scheint's, bedienen sich die Musikantenstadler des Westbam-a-lams eines ähnlichen Jargons um bei den Philosophen Eindruck zu schinden.
Sollte es vielleicht doch Zweifel an dem eigenen aggressiven Willen, was sage ich, der unentrinnbaren Vorsehung zur Sinnentschärfung geben? Es war doch gerade so schön, als man endlich ohne Gewissensbisse, quasi als Steigerung des großen und natürlich berühmten Rolling Stones dictums, sagen durfte: I'm really stupid, but I like it. Hat die große Raver-Familie jetzt doch einen anderen Sinn gefunden, als lediglich den schon immer sehr großen Hintergrund des Stumpf-Sinns für einen Scharf-Sinn zu liefern. Dies soll wohlgemerkt keine Polemik gegen die Sinnlosigkeit sein die überall dort lauert, wo wir einen Sinn finden. Doch während sich die Sinnlosigkeit in einem Verhältnis von 1:1 zum Sinn befindet, steht der Scharf-Sinn in einem Verhältnis von ca.1:100 zum Stumpf-Sinn .
Das paradigmatisch neue an der "rave-o-lution" lag doch nun einmal in dem "hedonistischen" Bekenntnis zu eben diesem Stumpfsinn, welches chronologisch in etwa mit dem ebenso hedonistischen Bekennungsdrang einer (noch) sehr kleinen Fan-Gemeinde von Brandstiftern zu ihrem Stolz-Deutsch-zu-Sein zusammenfiel. Zusammengenommen gibt das viele Säue die herausgelassen werden wollen in den "orgy-porgy" Freizeitpark Deutschland. (H.Kohl meets Max Westbam,- im Handlese-Studio vermutlich.)
Aldous Huxley, ein frühgeschichtlicher Vertreter des Scharfsinns, war unsere "schöne neue OnLine-Welt" (AOL Eigenwerbung) schon in den 20er Jahren als Schreckensvision vertraut. Nur weil die Delta-Morons auf der "Love Parade" ins Bockshorn ihrer Soma-Gemütlichkeit tuten, ist das noch lange kein Grund die Implikationen solch massenhaft auftretender Wahrnehmungs-Reduktion zu ignorieren. Während Jim Morrisons "Soft Parade" eine dionysisch-expressive Prozession, rebellierender, zu dynamischer Rezeption, und notfalls auch zu kollektivem Handeln fähiger Individualisten, heraufbeschwor, so finden wir in der "Rave Society", die ihr Glück wohl eher im (kollektiven) Handel als im Handeln sucht, die Nutella-Fraktion beim Ablösen der Abziehbilder vom SoundTrack.
Sie ist viel weniger die Reaktion auf die Hippie-Generation als ihre Reduktion auf den schönen Schein vom Handel mit Symbolen denen die Bedeutungen abhanden gekommen sind, wenn man von den Warenzeichen absieht, die gewissermaßen an Stelle von (manchmal auch - nostalgisch cool - zusammen mit) Peacezeichen, Hakenkreuzen, Roten Sternen etc. plakativ getragen werden.

Sinn ist im Übrigen eine Willensleistung, was aber nicht bedeutet, dass Westbams Foucault-Lektüre aus Tekkno-Entenhausen ein "tausendtoriges Theben" macht. Und nur weil Rainald Goetz es versteht, seinen Kumpel an möglichst viele Dumme zu verkaufen, wird daraus noch keine "Bewegung", sondern wahrhaftig eine Erstarrung jeglicher "Kommunikation" zum tekkno-kratischen Wackelpudding. Aber die durchaus immer subjektive Wahrheit ist ja eh nicht das Thema des "Diskurses". Sondern dieses lautet, gemäß Helge Schneiders ohnmächtiger Selbstanklage: Aus Scheisse Geld machen.

Und das gelingt den Wackelpudding-Mixern ausgezeichnet, obwohl es sich bei ihnen wohl eher um Trockenfürze handelt, die sie in ihre mit Kontoauszügen gestopften Sitzkissen pupsen, die wiederum so selbstgehäkelt sind wie die drum-patterns und Akkord-Müsterchen aus dem Cubase Style-Tracks Programm.

Zu guter Letzt machen sich die Party-Helden noch über das her, worüber sie an künstlerischer Gabe oder Fertigkeit nie verfügen werden: Expressivität. Vielleicht müssen tausend tumbe Tekkno-Toren erst auf der Streckbank Qualen erleiden bis sie solche Gabe schätzen lernen. Sollten Max und Rainald von den Foltern zukünftiger (poststrukturalistischer?) Inquisitoren mit demselben Geplapper zurückkehren, wie sie es jetzt unter ihre Jünger bringen, dann werde ich mir das mit dem Ausdruck noch einmal überlegen. Bis dahin erlaube ich mir, ganz schamfrei, von, und bei Bedarf auch mit, Gefühlen, und vor allem Ausdruck, zu singen.


(23.4.97) Zum selben Thema siehe: Das Totale Diskurs-Verschling-Ding von Andreas Schäfer

 

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